Ein Weg mit Gefühlen 


Wer kennt nicht die Situationen in denen unangenehme Gefühlswallungen einen packen, aufrütteln und nicht mehr loslassen wollen? Einmal angefangen wird die Trauer oder die Wut immer größer und es kann Stunden dauern, bis das negative Gefühl wieder abnimmt. 

Aber gibt es überhaupt negative Gefühle? Und fühlt man sich nicht nach solch einem Gefühlschaos mit hemmungslosem Weinen oft erleichtert und klarer? 

Vivian Dittmar beschreibt in ihren Büchern 5 Grundgefühle, aus denen sich die anderen Gefühle zusammensetzen. Dabei betont sie, dass jede dieser Empfindungen eine positive und eine negative Seite haben kann. 


Die 5 Grundgefühle und ihre positiven Aspekte: 

  • Trauer kann zu Akzeptanz und Annahme führen
  • Wut bringt in die Handlungskraft und Klarheit
  • Angst macht Kreativ und kann unsere Grenzen erweitern
  • Freude führt zu einer Wertschätzung des Lebens
  • Scham kann in die Selbstreflexion führen


Gefühle entstehen aus unserer Bewertung, also unseren Gedanken über äußere Eindrücke. Dabei machen uns diese Gemütsbewegungen immer wieder auf Unstimmigkeiten aufmerksam („Die Wirklichkeit sollte anders sein“). 

Gefühle bringen uns in Kontakt mit dem Leben. Sie sind kein Drama, sie wollen nur gefühlt werden. Wirklich wahrgenommene Emotionen müssen einen nicht wegreißen, sondern lassen sich in etwas Positives wandeln. Sie können uns als Hinweis dienen, unseren Anspruch an uns selbst und an andere zu überdenken und vielleicht sogar loszulassen. 

Leider neigen wir dazu, unsere Gefühlsregungen zu unterdrücken, oft aus Angst vor Ablehnung oder um keine Schwäche zu zeigen. Oder auch, weil wir meinen, es könnte dem Gegenüber zu viel werden. Diese ungefühlten Emotionen können sich im Körper festsetzen und nach und nach Probleme erzeugen. 

Dabei ist das rein körperliche Empfinden des Gefühls oft gar nicht so schlimm. Aber indem wir immer wieder in die Geschichte und Gedanken hinter dem Gefühl eintauchen, uns als Opfer wahrnehmen, einen „Schuldigen“ im Außen suchen oder an unserer Meinung festhalten, reproduzieren wir das Gefühl immer wieder und verstärken es mehr und mehr. 

Ich lade Sie ein, Ihre Gefühle zu sich einzuladen. Aber bitte nur, wenn sich kein Trauma dahinter verbirgt. In diesem Fall suchen Sie sich bitte Unterstützung bei der Bewältigung. 

Wenn ein Gefühl kommt geben Sie ihm die nötige Aufmerksamkeit und fühlen es. Bleiben Sie dabei bei der rein körperlichen Empfindung. Wo sitzt das Gefühl? Vielleicht im Hals? Oder in der Brust? Oder eher im Bauch? Vielleicht wo ganz anders? Wie fühlt es sich an? Ist da eine Enge oder ein Druck? Vielleicht auch eine Hitze oder ein Stechen? Versuchen Sie, das Gefühl genau zu fühlen. Gefühle wollen gefühlt und nicht gedacht werden. Gehen Sie nicht in die Gedanken oder die Geschichte hinter dem Gefühl. Fühlen Sie es rein körperlich. Probieren Sie dabei, den Körper nicht starr werden zu lassen, sondern in (Micro-) Bewegungen zu belieben.

Danach nehmen Sie wahr, was Ihr Gefühl brauchen könnte. Hilft ein Halten oder Streicheln? Tiefes  Atmen? Ein Summen, Tönen oder Schreien? Oder besser ein Klopfen? Vielleicht möchten Sie sich selber in die Arme nehmen? Bleiben Sie bei Ihrem Körper. Fühlen Sie das Gefühl und helfen ihm, sich in etwas positives zu verwandeln. 

Nehmen Sie sich die Zeit, die Sie brauchen. Hören Sie in sich hinein und geben Sie sich das, was Ihnen gerade gut tut. Häufig vergeht das Gefühl nach einem aufrichtigen Hinfühlen sehr schnell und Sie können Ihren Alltag wieder genießen. Manchmal zeigt sich unter dem Gefühl noch ein weiteres. Wenn das so sein sollte, fühlen Sie auch dieses wieder rein körperlich, ohne auf die Gedanken dazu einzugehen. 

Auch im Alltag kann es hilfreich sein, auf sein Körpergefühl zu hören. Wenn Sie sich z.B. nicht entscheiden können, was aktuell das Richtige ist, fühlen Sie doch mal in Ihren Körper hinein. Welche Wahl fühlt sich leicht und weit an und welche Entscheidung erzeugt eher eine Enge im Körper oder lässt den Atem flacher werden? Dann erst treffen Sie Ihre Auswahl.

Gefühle können uns das Leben intensiver wahrnehmen lassen. Sie wollen uns nicht schaden. Sie sind vielmehr aufregende Wegbegleiter mit der Möglichkeit zur Weiterentwicklung. Fangen wir wieder an, unsere Gefühle wirklich zu fühlen!

05/2024